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Anstellung von Ärzten bei Ärzten – Erster Kollektivvertrag in Geltung

Der Autor dieses Beitrags hat im Frühjahr dieses Jahres über eine kleine Revolution im Gesundheitswesen berichtet, nämlich über das In-Kraft-treten der Anstellungsmöglichkeit von Ärztinnen und Ärzten in ärztlichen Ordinationen und Gruppenpraxen im niedergelassenen Bereich.  

Oberösterreich, das bereits in der Vergangenheit immer wieder als Vorreiter bei der Umsetzung von Reformansätzen im Gesundheitswesen, insbesondere im Bereich der Gruppenpraxen und Primärversorgungseinheiten aufgefallen ist, hat nunmehr auch bei der Anstellung von Ärzten bei Ärzten (und in Gruppenpraxen) neue Maßstäbe gesetzt. Mit Wirkung zum 1.11.2019 tritt in Oberösterreich nämlich der österreichweit erste Kollektivvertrag für Ärzte, die bei anderen niedergelassenen Ärzten (oder Gruppenpraxen) angestellt werden, in Kraft.

Eigentlich war ein österreichweiter Kollektivvertrag vorgesehen. Da ein solcher derzeit aber nicht in Sicht ist, ist die Oberösterreichische Ärztekammer nunmehr vorgeprescht.

Anstellungsmöglichkeit gesetzlich schon länger in Kraft

Zur Erinnerung: Bis zur Einführung des neuen §47a Ärztegesetz Anfang dieses Jahres war die Anstellung von Ärzten in Ordinationen berufsrechtlich in Frage gestellt und für Gruppenpraxen überhaupt gesetzlich verboten hatten. Als Gruppenpraxis wird eine Behandlungsgesellschaft bezeichnet, bei der sich zwei oder mehr Ärzte an einem Ordinationsstandort zusammenschließen.

Ungewöhnliche Kollektivvertragsparteien

Seit Einführung der Anstellungsmöglichkeiten haben in den einzelnen Bundesländern die Kollektivvertragsverhandlungen zwischen den Dienstgebervertretern und den Dienstnehmervertretern begonnen. Alleine schon die Verhandlungskonstellation bietet eine rechtssystematische Attraktion, da die Landesärztekammern de facto mit sich selber verhandelen: Dienstgebervertreter ist nämlich die Kurie niedergelassener Ärzte, Dienstnehmervertreter die Kurie der angestellten Ärzte. 

Interessante Regelungsgegenstände, insbesondere zur Entlohnung

Der Geltungsbereich des nunmehr beschlossenen Kollektivvertrags umfasst auf Dienstgeberseite sämtliche Ärzte sowie Gruppenpraxen in Oberösterreich, dies unabhängig davon ob es sich um derartige Einrichtungen mit Kassenvertrag (Kassenordination oder – gruppenpraxis) oder ohne einem solchen (Wahlarztordinationen oder –gruppenpraxen) handelt. Auf Dienstnehmerseite sind sämtliche Ärzte umfasst, die zukünftig in derartigen Einrichtungen angestellt werden. Zu beachten ist, dass in Kassenordinationen (-gruppenpraxen) die Möglichkeit einer Anstellung anderer Ärzte auch davon abhängt, ob die kassenvertraglichen Vorgaben dies zulassen.

Kollektivvertragliche Gehaltsregelungen

Von der Praxis mit Spannung erwartet wurde die Einstufungstabelle für das Gehalt der angestellten Ärzte. Die nunmehr im Kollektivvertrag vorgesehenen Schemata trennen zwischen Allgemeinmedizinern und Fachärzten.  Die Grundgehälter starten bei 4.300,00 Euro brutto (Allgemeinmediziner) bzw 5.400,00 Euro brutto (Fachärzte) und enden nach 39 Berufsjahren bei 7.722,18. Euro brutto (Allgemeinmediziner) bzw 9.697,62 Euro brutto (Fachärzte). Ganz offensichtlich haben sich die Kollektivvertragsparteien an den Gehaltsansätzen in den Landesspitälern orientiert; dies ist auch aus dem Verweis in §13 des Kollektivvertrags ersichtlich, der zukünftige Steigerungen an den für Spitalsärzte in Landeskrankenanstalten einschlägigen §48a OÖ Gehaltsgesetz bindet. Die im Kollektivvertrag festgelegten Mindestentgelte liegen etwas über den Grundgehältern der Spitalsärzte in den Landeskrankenanstalten, sodass die Praxis mit der spannenden Frage konfrontiert sein wird, ob es zu einer großflächigeren Abwanderung von Spitalärzten aus dem intramuralen Bereich in die neue extramurale Anstellungsmöglichkeit kommen wird (etwa wegen der besseren work-life-balance ohne Nachtdienste).

Regelung der Arbeitszeiten

Die Normalarbeitszeit wird mit 38 Stunden pro Woche und mit 10 Stunden täglich fixiert. Überstundenzuschläge werden entsprechend der gesetzlichen Vorgaben mit 50% festgelegt. Bestimmte Randzeiten (Abend-, Nacht und Wochenendarbeiten) werden mit höheren Zuschlägen versehen. Es bleibt den Arbeit gebenden Ärzten (Gruppenpraxen) auch offen, mit den angestellten Ärzten einen Durchrechnungszeitraum von maximal sechs Wochen vertraglich zu fixieren.

Für die angestellten Ärzte nicht unwesentlich ist, dass der Kollektivvertrag kein abschließendes Nebenbeschäftigungsverbot vorsieht. Nebenbeschäftigungen sind dem Dienstgeber zu melden und dürfen nur dann untersagt werden, wenn wesentliche dienstliche Interessen gefährdet sind.

Hervorzuheben ist schließlich der Anspruch der angestellten Ärzte auf 50 Stunden pro Jahr für Fortbildungszwecke.

Neue Haftungsproblematiken in der Zukunft

Die Anstellungsmöglichkeit von Ärzten bei anderen Ärzten (bzw in Gruppenpraxen) wird zukünftig aber auch neue Haftungsfragen mit sich bringen, die naturgemäß von einem Kollektivvertrag nicht geregelt werden können (dieser sieht nur vor, dass der Dienstgeber eine Haftpflichtversicherung abzuschließen hat).

Sucht nämlich ein Patient eine Ordination oder eine Gruppenpraxis auf und wird dort von einem angestellten Arzt behandelt, stellt sich die Frage, wer bei einer medizinischen Fehlleistung die Verantwortung zu tragen hat – der dienstgebende Standortbetreiber oder der behandelnde angestellte Kollege. Aus meiner Sicht wird der Behandlungsvertrag mit dem Dienstgeber zustande kommen, sodass ein Fall der Gehilfenhaftung nach §1313a ABGB anzunehmen ist. Eine derartige Regelung wird zumindest bei Kassenordinationen (und- gruppenpraxen) in der zwischen dem Hauptverband und der Österreichischen Ärztekammer abgeschlossenen gesamtvertraglichen Vereinbarung enthalten sein. Diese kann aber selbstverständlich die im Haftungsfall zur Entscheidung berufenen Zivilgerichte nicht präjudizieren.

Ein Regress des Dienstgebers gegen den angestellt tätigen Arzt wird unter Berücksichtigung des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes möglich sein genauso wie – bei Verneinung eines direkten Behandlungsvertrags zwischen dem angestellt tätigen Arzt und dem Patienten – eine direkte, deliktische Haftung des angestellten Arztes gegenüber dem Patienten nicht ausgeschlossen ist. Eine eigene Haftpflichtversicherung ad personam für den angestellten angestellten Arzt wird daher aus Gründen der Haftungsabsicherung jedenfalls erforderlich sein.

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Andreas Joklik
JOKLIK KATARY RICHTER Rechtsanwälte